Photovoltaik im Winter: Leistungsvermögen, Wirtschaftlichkeit und bauliche Umsetzung
Im Großraum München rücken Energiebilanzen, CO₂-Budgets und volatile Strompreise zunehmend in den Fokus der Liegenschaftsbetreiber. Angesichts verschärfter ESG-Berichtspflichten und einer weiterhin attraktiven Fördersituation stellt sich die Frage, ob Photovoltaik auch während der kalten Monate verlässlich Erträge liefert. Der Beitrag ordnet aktuelle Zahlen ein, beleuchtet rechtliche Vorgaben und beschreibt, wie sich gewerbliche und hochwertige Immobilien ganzjährig mit Solarstrom versorgen lassen.
Relevanz für den bayerischen Gebäudebestand
2023 wurden laut Bayerischem Wirtschaftsministerium rund 3,2 GWp neu installiert, wobei die meisten Projekte im Sommerhalbjahr realisiert wurden. Die Zurückhaltung im Winterbetrieb beruht häufig auf Unsicherheiten zum Minderertrag. Dabei zeigen Messreihen, dass kristalline Module bei niedriger Zelltemperatur einen höheren Wirkungsgrad erzielen, weil der negative Temperaturkoeffizient die Spannung anhebt. Kombiniert mit Speichern und lastabhängiger Steuerung ergibt sich eine stabile Versorgung, die Grundlasten im Zeitraum November bis März deutlich reduzieren kann.
Zusätzlichen Handlungsdruck erzeugt das seit 2024 verschärfte Gebäudeenergiegesetz. Bei umfangreichen Dachsanierungen ist ein definierter Anteil erneuerbarer Energien Pflicht. Eigentümer, die ihre Dachflächen bislang ungenutzt lassen, verzichten damit auf steuerliche Abschreibungen und Zuschüsse, die bei Sanierungspaketen in sechsstellige Größenordnungen reichen.
Technische und regulatorische Kennzahlen
Leistung unter winterlichen Bedingungen
Eine Auswertung der HTW Berlin weist für kristalline Module bei 0 °C etwa sechs Prozent Mehrleistung gegenüber der Standard-Testbedingung von 25 °C aus. Im bayerischen Januar beträgt die mittlere Globalstrahlung etwa 45 kWh/m². Für einen Gewerbedachstrang mit 100 kWp lassen sich damit Monatsenergiemengen von 4 000 – 5 000 kWh erzielen. Diese Größenordnung deckt Serverräume, Beleuchtung oder Wärmepumpen und senkt Netzbezugsspitzen.
Das Forschungsprojekt SnowPower der Technischen Universität München untersuchte Schneelasten auf geneigten Dächern. Bei Neigungen über 15 Grad rutschen Pulverschichten meist innerhalb von zwei Tagen ab, sodass der mittlere Jahresverlust unter drei Prozent liegt. Durch Indachsysteme mit erhöhter Neigung oder flachdachtypische Aufständerungen lässt sich das Risiko weiter minimieren.
Förder- und Gesetzeslandschaft
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 vergütet Überschussmengen von Anlagen bis 1 MWp mit bis zu 13,0 ct/kWh – unabhängig von der Jahreszeit. Bei Volleinspeisung entfällt außerdem die Einkommensteuer, solange die Anlagengröße unter 1 MWp bleibt. Das KfW-Programm 270 bietet zinsgünstige Darlehen, wenn ein Batteriespeicher integriert wird. Darüber hinaus gewährt die bayerische Landesförderung Energie einen Solar-Bonus, falls Dachsanierung und PV-Installation als Gesamtmaßnahme beantragt werden.
Auf technischer Ebene regelt DIN EN 50638 seit 2023 den Netzanschluss von Speichersystemen und verlangt eine zertifizierte Anlagenüberwachung. Projekte, die diese Vorgaben frühzeitig einplanen, vermeiden spätere Umrüstungen.
Planung, Finanzierung und Umsetzung
Ertragsmodellierung und Bankfähigkeit
Eine belastbare Wirtschaftlichkeitsrechnung stützt sich auf Monatsprofile statt auf Jahresmittelwerte. Simulationsprogramme wie PV*SOL oder PVSyst verwenden Wetterdatensätze der Station München-Stadt und berücksichtigen verschneite Perioden. Werden Dachabdichtung, Statiknachweis und Blitzschutz in einer Maßnahme gebündelt, lässt sich der Beleihungswert einer Immobilie steigern, weil Rückbaukosten und Folgerisiken sinken.
Für kapitaleffiziente Vorhaben werden häufig Mischfinanzierungen aus KfW-Darlehen, Landeszuschüssen und Leasingbausteinen gewählt. Vorab eingereichte Förderanträge sind entscheidend; die meisten Programme akzeptieren nur Vorhaben, die noch nicht beauftragt wurden.
Bauabwicklung in der kalten Jahreszeit
Moderne Montagehilfen reduzieren Risiken winterlicher Baustellen erheblich. Vorgefertigte Modulträger, auf dem Hallenboden vormontiert, verkürzen Dachzeiten. Eine durchgetaktete Logistik minimiert Wege auf vereisten Flächen. Für bituminöse Dachbahnen empfiehlt sich eine temporäre Heizung, um Materialflexibilität und Hafteigenschaften zu erhalten.
Die elektrische Inbetriebnahme erfolgt in zwei Schritten: erst Messung des Leitungswiderstands, anschließend thermografische Kontrolle zur Identifikation von Hotspots. Bei hochwertigen Objekten wird häufig ein Performance-Ratio-Test nach IEC 62446-1 durchgeführt, um den zugesagten Wirkungsgrad auch bei −5 °C nachzuweisen.
Anwendungsbeispiele aus der Praxis
Büro- und Verwaltungsgebäude
Ein Unternehmenscampus in München-Riem modernisierte 1 500 m² Dachfläche mit Halbzellenmodulen und integrierte einen 200 kWh-Speicher. Durch das Zusammenspiel mit dem Gebäudeleitsystem werden Heizung, Kühlung und Ladepunkte lastabhängig gesteuert, sodass rund 70 % der Wintergrundlast gedeckt sind und Netzentgeltspitzen entfallen.
Hochwertige Wohnobjekte
Bei einer Seevilla im Landkreis Starnberg ersetzte ein Glas-Glas-System ältere Indachmodule. Dank bifazialer Technologie erzeugen die Paneele selbst unter diffusem Winterlicht über 40 W pro Modul. Die gekoppelte Wärmepumpe nutzt vorrangig Batteriestrom, womit sich sowohl Heizkosten als auch Ausfallrisiken reduzieren.
Einzelhandel und Gewerbeparks
Ein Fachmarktzentrum in Freising betreibt 800 kWp auf drei Flachdächern. Schneefangsysteme und eine Aufständerung von 10 Grad gewährleisten rasches Abrutschen. Nach der ersten Wintersaison lag der Minderertrag bei lediglich 2,1 %. Parallel verbessert der Batteriespeicher die Wirtschaftlichkeit, da winterliche Spotmarktpreise für Spitzenlasten höher sind.
Witterungsabhängige Betriebsstrategien
Auch bei diffusem Licht lässt sich die Ausbeute einer Photovoltaikanlage erhöhen, wenn Wechselrichter und MPP-Tracker feinjustiert werden. Moderne Geräte bieten Winterprofile, die den Arbeitspunkt in Richtung höherer Spannung verschieben und so die verringerten Einstrahlungswerte kompensieren. Gleichzeitig kann eine adaptive Blindleistungsbereitstellung Netzschwankungen glätten, was in münchner Verteilnetzen zunehmend gefordert wird. Für große Dachanlagen empfiehlt sich ein Temperatur- und Strahlungssensor auf Modulebene; die Daten fließen in die Anlagensteuerung ein und starten beispielsweise ein automatisiertes Schneeräumprogramm, sobald Ertragseinbußen einen definierten Schwellenwert überschreiten.
Wartung, Schneemanagement und Servicelevel
Die gängigen Reinigungskonzepte aus dem Sommer greifen im Winter nur eingeschränkt, da Reinigungsfirmen häufig keine Heißwassergeräte oberhalb von 0 °C betreiben. Betreiber setzen deshalb verstärkt auf hydrophobe Modulgläser und Beschichtungen mit Lotus-Effekt. Ergänzend kommen leichte Kunststoffschieber statt Metallräumern zum Einsatz, um Mikrokratzer zu vermeiden. Serviceverträge enthalten idealerweise ein Eskalationsschema: Ab 10 cm Nassschnee erfolgt eine händische Räumung, während Pulverschnee bis 5 cm toleriert wird, sofern die Prognose einen spontanen Abgang erwarten lässt. Vertraglich gewährte Reaktionszeiten von 24 h minimieren Mindererträge und sichern den Versicherungsschutz gegen Schneebruch.
Speicher- und Lastmanagement für Winterprofile
Batteriesysteme erreichen bei niedrigen Temperaturen nur dann die zugesagte Zyklenzahl, wenn Zellheizungen oder temperierte Batterieräume geplant sind. In Verkaufsflächen wird die Abwärme der Klimatisierung genutzt, während Logistikhallen oft auf luftgekühlte Containerlösungen setzen. Für beide Varianten gilt: Die Ladefreigabe erfolgt über ein Energiemanagementsystem, das Strompreissignale (EPEX Day-Ahead) mit Wettervorhersagen kombiniert. Auf diese Weise wird der Speicher bei hohen Spotmarktpreisen entladen und bei niedrigen Preisen oder prognostizierter Sonneneinstrahlung nachgeladen. Die resultierende Arbitrage steigert den Deckungsbeitrag besonders in den Monaten Dezember und Januar, wenn zugleich die Netzentgelte nach Spitzenlast berechnet werden.
Verknüpfung mit Heizung, Kälte und Elektromobilität
Gerade im Ballungsraum München entstehen integrierte Energiekonzepte, bei denen Wärmepumpen, Kältemaschinen und Ladepunkte direkt auf Solarstrom zugreifen. Für Wärmepumpen bietet sich eine Priorisierung in Zeiträumen an, in denen Globalstrahlung und Außentemperatur ein günstiges Arbeitszahlenverhältnis ergeben. In der Praxis wird dazu eine COP-Kurve in das Gebäudeleitsystem importiert, das bei zu tiefer Außentemperatur automatisch auf eine Gas- oder Fernwärmespitze umschaltet. Ladepunkte nutzen dynamische Stromtarife; sie reduzieren den Ladestrom, sobald die PV-Anlage stark verschneit ist, und erhöhen ihn bei klaren Frosttagen. Auf diese Weise entsteht ein Sektorkopplungscluster, das Netzbezug und CO₂-Intensität ganzjährig optimiert.
Statik, Brandschutz und Versicherung
Zusätzliche Schneelast und Windsog erfordern detaillierte Nachweise gemäß Eurocode 1. Für Flachdächer wird die Ballastierung oft im Zusammenspiel mit Schneefangsystemen optimiert: Reduziert man die Neigung von 15 auf 10 Grad, sinkt der Windsog, die Schneelast steigt jedoch moderat an und bleibt unterhalb der Tragreserve vieler Stahlleichtdächer. Brandschutzkonzepte berücksichtigen mittlerweile die Prüfnorm DIN EN IEC 61730-2; spezifische Schmelzsicherungen und Abmeldegeräte (Rapid Shutdown) sind Pflicht, wenn die Brandwandabstände nicht eingehalten werden können. Versicherungsgesellschaften fordern meist eine jährliche Thermografie, um den Ausschluss von Vorschäden zu dokumentieren. Prämiennachlässe von bis zu 15 % sind möglich, wenn ein 24/7-Monitoring mit Alarmfunktion nachgewiesen wird.
Digitale Zwillinge und Performance-Tracking
Ein digitaler Zwilling bildet Ertragsverhalten, Alterung und äußere Einflüsse in Echtzeit ab. Betreiber importieren dafür Sensordaten zu Strahlung, Temperatur und Verschattung in ein Simulationsmodell, das die Sollwerte stundengenau berechnet. Weicht der Ist-Ertrag um mehr als zwei Prozent ab, schlägt das System eine Wartungsmaßnahme vor. Im Winter liefert der Zwilling eine fundierte Basis für Garantieforderungen: Lässt sich belegen, dass Ertragseinbußen auf Produktmängel statt auf Schnee zurückzuführen sind, greifen die Leistungsgarantien der Modulhersteller.
Wirtschaftliche Bewertung im Lebenszyklus
Die Kombination aus PV-Anlage, Speicher und Sektorkopplung wird zunehmend über einen erweiterten Kapitalwert bewertet. Neben Stromgestehungskosten fließen CO₂-Faktoren und steuerliche Vorteile ein. Für bayerische Gewerbeobjekte liegt der Kapitalwert häufig 20 – 30 % höher, wenn Wintererträge korrekt kalkuliert werden. Insbesondere die CO₂-Bepreisung im Rahmen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes verteuert fossile Spitzenlastkessel. Wer den winterlichen Eigenverbrauchsanteil von 15 % auf 40 % erhöht, spart gleichzeitig BEHG-Kosten und verbessert die ESG-Bewertung, was sich positiv auf Kreditkonditionen auswirkt.
Ausblick: Technologische Entwicklungen
Erste Pilotanlagen in Oberbayern testen perowskitsilizium-Tandemzellen mit Effizienzen über 26 %. Diese Module zeigen ein geringeres Temperatur-Derating und könnten mittelfristig die klassische Monozelle ablösen. Parallel entwickeln Hersteller Enteisungsfolien, die durch einen Heizimpuls Schnee aktiv abschmelzen. Der Strombedarf beträgt lediglich zwei Prozent der Tagesproduktion und amortisiert sich ab einer Schneedeckung von mehr als 48 Stunden. Ferner erlaubt 800-V-Wechselrichtertechnik kleinere Leitungsquerschnitte und reduziert ohmsche Verluste bei tiefen Temperaturen.
Fazit
Wintertaugliche Photovoltaik ist im bayerischen Kontext längst wirtschaftlich, wenn Planung, Technik und Betrieb konsequent auf Kälte, Schnee und volatile Strompreise abgestimmt werden. Entscheider, die Batteriespeicher, Sektorkopplung und digitales Monitoring integrieren, steigern die Eigenverbrauchsquote, sichern Fördervorteile und reduzieren CO₂-Kosten. Eine präzise Lastanalyse, statische Prüfung und abgestimmtes Schneemanagement bilden dabei die Grundlage für nachhaltige Renditen und eine zukunftsfähige Energieversorgung.
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