Mieterstrom mit Photovoltaik im Mehrfamilienhaus: Standortvorteile und Wirtschaftlichkeit im Raum München
Aktueller Kostendruck und regulatorische Treiber
Stromtarife für Gewerbe und Wohngebäude lagen 2023 in Deutschland deutlich über dem Vorkrisenniveau. Parallel verschärfen sich Berichts- und Nachweispflichten aus ESG, EU-Taxonomie und kommunalen Klimaschutzkonzepten. Ohne belastbare Energielösung drohen Bestandsobjekten steigende Nebenkosten, kürzere Mietverträge und Bewertungsabschläge. Mieterstrom auf Basis von Photovoltaik adressiert diese Punkte, da lokal erzeugter Gleichstrom in das hausinterne Netz eingespeist und direkt von den Parteien verbraucht wird. Die Transformation vom reinen Klimaschutzinstrument zur betriebswirtschaftlichen Option ist damit abgeschlossen.
Systemarchitektur von Mieterstromanlagen
Ein vollwertiges Mieterstromkonzept umfasst drei Hauptkomponenten:
- Photovoltaikmodule auf Dachflächen oder Fassaden, dimensioniert nach Lastprofil und statischen Reserven;
- ein Mess- und Verteilersystem, das den Energiefluss jeder Einheit erfasst (zwei-Richtungs-Zähler bis hin zu Smart-Meter-Gateways mit Lastgangaufzeichnung);
- stromlieferrechtliche Vereinbarungen zwischen Betreiber und Endnutzern, die Einspeise-, Bezugs- und Abrechnungsregeln definieren.
Überschussstrom wird in das öffentliche Netz eingespeist und vergütet, während Batteriespeicher die Eigenverbrauchsquote anheben. Typische Kenngrößen:
35 % Eigenverbrauch ohne Speicher, 60 % bis 65 % mit Speicher; in gewerblich geprägten Gebäuden mit werktägigem Tageslastgang sind Werte über 80 % erreichbar.
Marktzahlen, Kostenbänder und Förderinstrumente
Installationstrends
Der Bundesverband Solarwirtschaft verzeichnete 2023 ein Wachstum der neu installierten Photovoltaikleistung von gut 24 %. Rund ein Zehntel davon entfiel auf Mehrparteien- und Gewerbeobjekte. In Bayern belief sich die Zubauleistung auf etwa 1,6 GW, davon 180 MW im urbanen Raum.
Kosten und Renditeerwartungen
Fraunhofer-Berechnungen ordnen die Stromgestehungskosten von Dachanlagen derzeit zwischen 6 ct/kWh und 9 ct/kWh ein. Gewerbestrom in München bewegt sich im Vergleich bei rund 24 ct/kWh. Daraus resultieren interne Verzinsungen von 8 % bis 12 %, soweit Statik, Ausrichtung und Förderlandschaft stimmen.
Rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen
Seit dem EEG 2023 gelten angehobene Mieterstromvergütungen. Ergänzend steht das KfW-Programm 270 für zinsgünstige Darlehen bereit. Das bayerische 10 000-Häuser-Programm unterstützt Batteriespeicher, während die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG NWG) energetische Sanierungen begünstigt, sofern mindestens Effizienzhaus-70-Standard erreicht wird. Die Bayerische Bauordnung fordert bei Neubauten mit mehr als 50 Stellplätzen eine PV-Vorhaltung, was spätere Mieterstrommodelle vereinfacht.
Planungsschritte und bauliche Umsetzung
Dachstatik und Schneelastzonen
Für München sind Schneelasten bis 1,75 kN/m² anzusetzen. Eine frühzeitige statische Prüfung verhindert Nachrüstkosten in der Unterkonstruktion. Häufig empfiehlt sich die Kopplung von Dachsanierung und PV-Installation, um Gerüstaufwand zu bündeln.
Finanzierungsmodelle
Objektgesellschaften trennen Mieterstrom-Cashflows vom Kerngeschäft und erleichtern Bilanzierung. Alternativ existieren Leasing- oder Contractingstrukturen, die Capex in Opex überführen. Wirtschaftlichkeitsrechnungen berücksichtigen Wartung, Versicherung, Degradation und Sensitivitäten bei der Strompreisentwicklung.
Bauabwicklung und Qualitätssicherung
Projektzeiträume von der ersten Modulmontage bis zur Netzeinschaltung liegen für Anlagen bis 500 kWp bei etwa zwölf Wochen, sofern Genehmigungen vorliegen. Thermografien und Einstrahlungsprüfungen dienen als Abnahmewerkzeuge. Nach Übergabe ist permanentes Monitoring notwendig, um Mindererträge frühzeitig zu detektieren und Garantieansprüche zu wahren.
Einsatzfelder im Großraum München
Büroimmobilien
IT-Infrastruktur, Beleuchtung und Klimatisierung erzeugen einen gleichmäßigen Tageslastgang, der nahezu deckungsgleich mit PV-Produktion verläuft. Der Ausweis sinkender Nebenkosten verbessert ESG-Scores und Kreditkennzahlen.
Hochwertiges Wohnen
In Luxus-Mehrparteienhäusern ermöglichen flächenbündige Glas-Glas-Module eine architektonisch zurückhaltende Integration. Mieterstrom deckt den Energiebedarf für Smart-Home-Server, E-Mobilität oder Pooltechnik und steigert damit die Attraktivität der Objekte.
Einzelhandel und Gewerbeparks
Kälte-, Licht- und Lüftungstechnik prägen den Energiebedarf des Einzelhandels. Eigenverbrauchsanteile von bis zu 30 % der Betriebsausgaben sind realistisch. Batteriespeicher fungieren hierbei zusätzlich als Notstromreserve und verringern Ausfallrisiken.
Technische Dimensionierung und Netzintegration
Die optimale Größe einer Mieterstromanlage ergibt sich aus der Überlagerung von Erzeugungsprofil und Verbrauchsprofil. Für ein sechsgeschossiges Mehrfamilienhaus mit 2 000 m² Wohnfläche in München liegen die jährlichen Stromverbräuche typischerweise bei 55 000 kWh. Ein 90 kWp-PV-System erzielt auf süd- oder westorientierten Flachdächern rund 95 000 kWh Ertrag pro Jahr. Daraus resultiert eine Deckungsquote von 60 % bis 65 % ohne Speicher. Die Einspeisung erfolgt über einen eigenen Niederspannungsstrang, der hinter dem Gebäudehauptzähler angeordnet ist. Wichtig ist die selektive Absicherung: String-Sicherungen, Fehlerlichtbogen-Schutzschalter und Überspannungsableiter gemäß DIN VDE 0100-712 sind obligatorisch. Bei Anlagen oberhalb von 135 kWp fordert die Bayernwerk Netz ein Einspeisekonzept mit Blindleistungsregelung, um Netzrückwirkungen zu begrenzen.
Messkonzepte und digitale Abrechnung
Für die Umsetzung des Liefermodells ist ein Zweikreismesskonzept verbreitet: Ein Erzeugungszähler erfasst die gesamte PV-Produktion, während hinter dem Summenzähler jeder Wohn- und Gewerbenutzer einen untergeordneten, geeichten Zweirichtungszähler erhält. In München favorisieren Netzbetreiber intelligente Messsysteme nach Messstellenbetriebsgesetz, weil Lastgänge im 15-Minuten-Raster automatisiert übermittelt werden. Abrechnungstools exportieren die Messwerte via CLS-Kanäle in ERP-Systeme oder PropTech-Plattformen. So lassen sich Umlagen, Netzentgelte und Stromsteuer sachgerecht aufschlüsseln. Zusätzliche Anforderungen aus der Datenschutz-Grundverordnung werden durch lokale Datenspeicherung in bayerischen Rechenzentren erfüllt.
Risikomanagement während des Betriebs
Häufige Ertragsrisiken entstehen durch Modulverschmutzung, Ertragsminderung bei Teilverschattung und Wechselrichterausfälle. Ein Wartungsvertrag mit festgelegten Reaktionszeiten von maximal 24 h reduziert Stillstandzeiten. Für Schneelastzonen 2 und 3 rund um München empfiehlt sich eine periodische Sichtprüfung nach starken Winterereignissen. Versicherungen decken Allgefahren, Mindererträge und Betreiberhaftpflicht ab; Prämien bewegen sich zwischen 0,4 % und 0,7 % des Anlagenneuwerts. Zur Absicherung der Wirtschaftlichkeit wird in Finanzmodellen ein Degradationspfad von 0,4 % pro Jahr angesetzt, während Wechselrichterersatz nach 12 bis 15 Jahren berücksichtigt wird.
Behördliche Abläufe in München und Oberbayern
Die Anzeige der Anlage beim Marktstammdatenregister ist Grundlage für den Betrieb und muss binnen eines Monats nach Inbetriebnahme erfolgen. Parallel verlangt der Netzbetreiber eine Inbetriebsetzungsanzeige mit Schaltplan, Lageplan und Konformitätserklärung. Für denkmalgeschützte Gebäude prüft das Referat für Klima- und Umweltschutz der Landeshauptstadt München den optischen Eingriff; vollflächige Indach-Systeme oder farbige Module beschleunigen die Freigabe. Bei Fassadenanlagen mit öffentlichen Verkehrsflächen ist zusätzlich eine statische Freigabe nach Bayerischer Bauordnung, Art. 62, erforderlich. Planer, die die Unterlagen vollständig einreichen, erhalten Genehmigungen im Durchschnitt innerhalb von sechs bis acht Wochen.
Vertragsgestaltung zwischen Eigentümer, Betreiber und Mietern
Das Betreiber-Mieter-Modell nutzt in der Praxis einen Stromliefervertrag gekoppelt an den Mietvertrag. Preisgleitklauseln orientieren sich am EPEX-Base-Preis für Deutschland, vermindert um einen festen Eigenverbrauchsabschlag (meist 12 ct/kWh). Kündigungsfristen von einem Jahr gewähren Mietern Flexibilität, erfüllen aber gleichzeitig die Voraussetzungen des § 42a EnWG. Für Gewerbemieter können gesonderte Lastspitzenmanagement-Konditionen integriert werden: Ein Peak-Shaving-Entgelt von 40 €/kW_p.a. deckt die Kapitalkosten zusätzlicher Batteriespeicher. Eigentümer sichern sich durch Einspeise-PPA mit lokalen Stadtwerken ab; Überschusspreise zwischen 8 ct/kWh und 11 ct/kWh sind in Oberbayern marktüblich.
Strompreisentwicklung und Sensitivitätsanalyse
Szenarioanalysen des ifo Instituts prognostizieren, dass Großhandelspreise bis 2030 bei 10 ct/kWh bis 12 ct/kWh verharren, während Endkundentarife aufgrund von Netzentgelten und Abgaben 23 ct/kWh bis 28 ct/kWh erreichen können. In der Sensitivitätsrechnung steigen die internen Verzinsungen einer 100 kWp-Mieterstromanlage von 8 % auf 11 %, wenn der Bezugsstrompreis um nur 3 ct/kWh zulegt. Umgekehrt sinkt die Rendite bei gleichbleibenden Netzgebühren kaum, da Betriebskosten der PV-Anlage fix sind. Für Investoren ist daher der Netzentgeltblock die wichtigste Variable, gefolgt vom Zinspfad der Baufinanzierung.
Praxiskalkulation für ein typisches Mehrfamilienhaus
Anschaffungskosten für ein 90 kWp-System liegen aktuell bei rund 1150 €/kWp inklusive Wechselrichter, Unterkonstruktion und AC-Verkabelung. Hinzu kommen 8 000 € für das Messsystem, 5 000 € für Netzanschluss und Inbetriebnahme sowie 7 000 € Planungskosten. Gesamtinvest: 114 000 €. Unter Annahme von 95 000 kWh Jahresertrag, 62 % Eigenverbrauch und 24 ct/kWh substituiertem Netzstrom ergeben sich Einsparungen von 14 000 €/a. Die restlichen 36 000 kWh werden zu 8 ct/kWh eingespeist und bringen 2 880 €/a. Abzüglich 2 000 €/a Betriebskosten ergibt sich ein Cash-Flow von 14 880 €/a, was einem statischen Amortisationszeitraum von 7,7 Jahren entspricht.
Synergien mit Elektromobilität
Die Bayerische Bauordnung fordert in neuen Tiefgaragen bereits eine Vorverkabelung für Ladeinfrastruktur. Kombiniert man Mieterstrom mit AC-Wallboxen, erhöht sich der Eigenverbrauch um bis zu 15 Prozentpunkte. Überschussmanagementsysteme priorisieren erst den Haushaltsbedarf und lenken Rest-PV in Fahrzeugbatterien. Ladeleistungen von 11 kW sind in der Regel ohne Netzerweiterung möglich, sofern das Hausanschlusskabel mindestens 160 kVA freigibt. Betreiber generieren zusätzliche Erlöse durch kWh-basierte Ladeabrechnung, während Mieter von vergünstigtem Regenerativstrom profitieren.
Ausblick auf regulatorische Entwicklungen
Die Bundesnetzagentur plant für 2025 eine Vereinfachung der Eigenversorgungsmeldungen sowie die Zusammenlegung der Marktrollen Messstellenbetreiber und Energiedienstleister. In Bayern wird parallel an einem Fördertopf für bidirektionale Speicher gearbeitet, der Mieterstromprojekte mit Vehicle-to-Building-Funktionalität bezuschusst. Darüber hinaus diskutiert der Gesetzgeber eine Ausweitung der Steuervorteile für Photovoltaik-Großanlagen bis 1 MW. Projektträger sollten diese Entwicklungen in Terminschienen einpreisen, da frühzeitige Antragstellung entscheidende Zins- und Fördervorteile sichern kann.
Fazit
Mieterstrom kombiniert standortspezifische Stromkostenreduktion mit einem robusten Renditeprofil und erfüllt gleichzeitig ESG- und Taxonomieanforderungen. Entscheider profitieren von kurzen Amortisationszeiten, planbaren Cash-Flows und Wertsteigerung der Immobilie. Erfolgsfaktoren sind eine sorgfältige Last-Erzeugungs-Analyse, ein rechtssicheres Mess- und Abrechnungssystem sowie frühzeitige Einbindung lokaler Behörden. Wer zusätzlich Ladeinfrastruktur oder Speicher integriert, erhöht den Eigenverbrauch und macht das Objekt zukunftsfest gegenüber steigenden Netzgebühren.
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