Mieterstrom mit PV im Mehrfamilienhaus: Chancen, Pflichten und Umsetzung in Bayern
Der Energiemarkt befindet sich im stärksten Wandel seit der Liberalisierung der neunziger Jahre. Unternehmen, Immobilienfonds und Facility-Manager sehen sich mit steigenden Strompreisen, verschärften Klimazielen und Nachfragen nach ESG-Konformität konfrontiert. Mieterstrom mit Photovoltaik (PV) im Mehrfamilienhaus ist ein Baustein, der diese Handlungsfelder verbindet. Durch lokale Erzeugung auf dem eigenen Dach sinken Betriebskosten, der CO2-Fußabdruck und die Abhängigkeit vom Netz. Gleichzeitig erhalten Investoren ein zukunftsfestes Alleinstellungsmerkmal am Münchner Immobilienmarkt. Dieser Fachbeitrag erklärt, wie das Mieterstrommodell funktioniert, welche regulatorischen Vorgaben gelten und wie sich anspruchsvolle Projekte praxisnah realisieren lassen.
Warum das Thema jetzt wichtig ist
Seit Jahresbeginn 2023 klettern die Netzentgelte in Oberbayern um durchschnittlich zwölf Prozent. Zugleich verpflichtet die europäische Gebäuderichtlinie neue und sanierte Objekte zu deutlich niedrigeren Emissionswerten. Eigentümer, die ihre Gewerbe- oder Wohnportfolios in München frühzeitig auf Mieterstrom umstellen, profitieren damit doppelt: Sie reduzieren laufende Kosten und sichern sich Wettbewerbsvorteile bei Vermietung oder Exit. Hinzu kommt eine hohe Erwartungshaltung von Mietern, die immer öfter Ökostrom und Ladepunkte als Standard sehen. Ohne vorgezogene Modernisierung droht der Wertverlust gerade von Bestandsflächen aus den siebziger und achtziger Jahren.
Rechtlicher Rahmen und Förderkulisse
EEG und Mieterstromzuschlag
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) definiert Mieterstrom als Strom, der in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Solargenerator erzeugt und innerhalb desselben Gebäudes oder Quartiers verbraucht wird. Betreiber erhalten nicht die reguläre Einspeisevergütung, sondern einen Mieterstromzuschlag. Dieser Zusatzbetrag liegt je nach Anlagengröße derzeit zwischen 2,2 und 3,2 Cent pro Kilowattstunde. Er ergänzt den Verkaufspreis, den Vermieter ihren Mietparteien berechnen. Die Degression erfolgt jährlich zum 1. Januar. Für bereits in Betrieb genommene Anlagen bleibt der zum Start zugesagte Zuschlag über die Förderdauer von 20 Jahren konstant.
Bayerische Besonderheiten und Netzanschluss
In Bayern sind die Netzbetreiber verpflichtet, binnen acht Wochen ab vollständigem Antrag den Anschlussbescheid zu erteilen. Für viele Münchner Projekte ist die Stadtwerke München GmbH zuständig, die ein vereinfachtes Verfahren bis 30 kWp vorsieht. Größere Anlagen erfordern eine Netzverträglichkeitsanalyse und damit längere Vorlaufzeiten. Die Bayerische Bauordnung (BayBO) sieht seit 2021 zudem vereinfachte Abstände für Dach-PV vor. Dadurch entfallen häufige Genehmigungshemmnisse in Erhaltungssatzungsgebieten, etwa im Lehel oder in Haidhausen.
Technische und wirtschaftliche Grundlagen
Dimensionierung der PV-Anlage
Bei Mieterstrom zählt nicht die Maximierung der Einspeisung, sondern die Deckung des Eigenverbrauchs. Für ein typisches Münchner Mehrfamilienhaus mit 2 000 m² Wohnfläche liegt der Jahresstrombedarf bei rund 60 000 kWh. Eine PV-Anlage mit 75 kWp erzeugt hier im Schnitt 72 000 kWh. Davon können circa 55 Prozent direkt verbraucht werden, der Rest wird ins öffentliche Netz eingespeist. Durch intelligente Laststeuerung, zum Beispiel das Verschieben der Wärmepumpen-Laufzeiten, lässt sich die Eigenverbrauchsquote auf über 70 Prozent anheben.
Abrechnung und Messkonzepte
Damit Mieterstrom rechtssicher bleibt, verlangt das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) eine transparente Messung. Das häufigste Modell ist Summenzählung mit Abgrenzung. Hier erfasst ein Hauptzähler die Gesamtstrommenge aus PV und Netz, während Untermessungen die einzelnen Mietparteien trennen. Am Markt verfügbare digitale Zähler ermöglichen viertelstündliche Lastprofile. Diese Daten speisen sich automatisiert in Abrechnungssoftware ein. Für Betreiber entfällt dadurch die händische Datenerfassung. Wichtiger Nebeneffekt: Die Zählerdaten dienen als Nachweis gegenüber Übertragungsnetzbetreibern für die Korrekturbilanzierung.
Praxisleitfaden für Investoren und Bestandshalter
Projektplanung und Stakeholder-Management
Ein erfolgreiches Mieterstromprojekt startet mit einer Machbarkeitsstudie. Sie untersucht Dachstatik, Verschattung, Leitungswege und Brandschutz. Parallel sollten Eigentümer frühzeitig den Dialog mit Mietern suchen. Ein Info-Schreiben mit klaren Vorteilen – stabile Strompreise, ökologische Transparenz, optionale E-Mobilität – erhöht die Teilnahmequote. Wichtig ist eine rechtssichere Ergänzung zum bestehenden Mietvertrag. Juristisch empfiehlt sich eine eigenständige Stromliefervereinbarung, um Mietrecht und Energiewirtschaft zu trennen.
Finanzierung, Contracting und ROI
Die Investition in eine 75 kWp-Anlage liegt samt Speicher, Zählern und Planung in einer Größenordnung von niedrigen sechsstelligen Beträgen. Alternativ kann ein Contracting-Partner die Hardware finanzieren und den Betrieb übernehmen. Dabei erhält der Eigentümer eine Pachtzahlung oder Gewinnbeteiligung, ohne eigene Liquidität zu binden. Die interne Verzinsung (IRR) klassischer Eigeninvestitionen liegt bei rund 6 bis 8 Prozent nach Steuern, abhängig von Dachausrichtung, Zinssatz und Verbrauchsprofil. Bei Kombination mit KfW-Förderkrediten verbessert sich der Cashflow, da Tilgungszuschüsse bis 20 Prozent möglich sind.
Umsetzung und Betrieb
Während der Bauphase koordinieren Fachplaner den Netzanschluss, die Montage und die Integration der Zähltechnik. In München gilt eine Meldefrist von zwei Wochen vor Inbetriebnahme beim Stromversorger. Nach erfolgreicher Anmeldung erfolgt die Zertifikatsprüfung durch den Netzbetreiber, anschließend beginnt die Stromlieferung. Betreiber müssen quartalsweise ans Hauptzollamt die erzeugte Strommenge melden, falls sie von der Stromsteuer befreit sein wollen. Für den laufenden Betrieb empfehlen sich Wartungsverträge mit 24/7-Monitoring. So lassen sich Ertragsverluste früh erkennen und Serviceeinsätze optimieren.
Branchenspezifische Nutzenbeispiele
Saniertes Bürogebäude im Münchner Osten
Ein viergeschossiges Bestandsgebäude mit 3 500 m² Mietfläche erhielt 2022 im Zuge einer Kernsanierung eine 120 kWp-PV-Anlage. Durch Lastverschiebung zur Serverkühlung und Anpassung der Beleuchtungssteuerung stieg die Eigenverbrauchsquote auf 78 Prozent. Die Nebenkostenabrechnung zeigt seither eine Reduktion um knapp 1,9 €/m². Das Gebäude erfüllt nun die Vorgaben der EU-Taxonomie und verbessert die Position im Rating eines großen Versorgers, der dort Flächen angemietet hat.
Hochwertiges Wohnensemble im Starnberger Fünf-Seen-Land
Ein Neubauprojekt aus vier Villen mit insgesamt 16 Wohneinheiten integriert 60 kWp-PV, Wärmepumpen und Lithium-Speicher. Der Betreiber bündelte alle Komponenten in ein Mieterstrommodell. Die Bewohner zahlen 28 ct/kWh, acht Cent unter dem lokalen Grundversorgungstarif. Innerhalb der ersten sechs Monate stieg die Weiterempfehlungsrate der Mieter auf 93 Prozent. Die Investorin hob dadurch den Objektwert nach IFRS um 7 Prozent an, ohne zusätzliche Flächen zu schaffen.
Ausblick: Kombination mit Ladeinfrastruktur und Wärmepumpen
Die nächste Ausbaustufe für Mieterstrom liegt in der sektorübergreifenden Kopplung. Ladepunkte für E-Fahrzeuge nutzen tagsüber Solarstrom direkt. Wärmepumpen verschieben ihren Strombedarf in Überschusszeiten und dienen zugleich als thermischer Speicher. In Quartieren entsteht so eine Energiegemeinschaft mit minimalen Netzbezugskosten. Der Freistaat Bayern unterstützt Ladeinfrastruktur mit dem Programm Lade-Initiative Bayern, das bis zu 1 500 € pro Ladepunkt beisteuert. Wer Projekte heute ganzheitlich plant, vermeidet doppelte Tiefbaukosten und schafft ein skalierbares Energiesystem.
Fazit
Mieterstrom mit PV im Mehrfamilienhaus verbindet Dekarbonisierung, Kostensenkung und Wertsteigerung. Der gesetzliche Rahmen bietet Planungssicherheit, die Technik ist ausgereift, und Förderungen verbessern die Rendite. Für Entscheider im Großraum München heißt das: Jetzt ist der ideale Zeitpunkt, Dachflächen wirtschaftlich zu aktivieren und das Portfolio fit für kommende ESG-Regeln zu machen. Die schlüsselfertige Umsetzung erfordert jedoch Expertise in Statik, Energierecht und digitaler Messtechnik. Genau hier unterstützt BETSA.de mit regionaler Erfahrung, verlässlichen Partnern und einem Rundum-Service von der Analyse bis zum Betrieb.
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