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Energieeffizienz im Bauwesen: Kollektive Sanierung als Schlüssel zu niedrigeren Betriebskosten in Bayerns Mehrfamilienhäusern


Energieeffizienz im Mehrfamilienhaus: Kollektive Sanierung als Erfolgsfaktor

Marktumfeld und Handlungsdruck

Steigende Brennstoffkosten, verschärfte Klimapolitik und ein zunehmend differenzierter Wohnungsmarkt erhöhen den Druck auf Eigentümergemeinschaften und Portfoliomanager, energetische Defizite zügig auszuräumen. In Bayern entfallen laut Landesamt für Statistik knapp ein Drittel des Endenergieverbrauchs auf Wohngebäude, wobei ein erheblicher Anteil auf Bestandsobjekte aus der Nachkriegszeit zurückzuführen ist. Diese Gebäude erreichen häufig nur Energieeffizienzklasse F oder schlechter. Eine geringere Vermietbarkeit, höhere Betriebskosten und verkürzte Restnutzungsdauern sind die wirtschaftlichen Folgen.

Rechtliche Rahmenbedingungen und Förderlandschaft

Das Gebäudeenergiegesetz 2024 schreibt vor, dass neu installierte Heizsysteme mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen müssen, sofern kein Fernwärmeanschluss besteht. Ergänzend dazu ermöglichen die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) und verschiedene KfW-Kreditprogramme Zuschüsse beziehungsweise zinsvergünstigte Darlehen für Sanierungsmaßnahmen. In Bayern vereinfacht die Aufteilungsrichtlinie die Beschlussfassung innerhalb von Wohnungseigentümergemeinschaften, wenn Maßnahmen primär dem Effizienzstandard dienen. § 16 WEG erlaubt ferner eine Kostenverteilung nach Nutzfläche, sofern die Gemeinschaft dies qualifiziert beschließt.

Zentrale Vorgaben im Überblick

  • 65 %-Erneuerbare-Energien-Anteil bei neuen Wärmeerzeugern
  • Primärenergie­anforderungen gemäß GEG für den Ist- und Sollzustand
  • BEG-Zuschüsse bis 30 % der förderfähigen Investitionskosten
  • KfW-Finanzierung mit Tilgungszuschüssen bei Effizienzhaus 70 oder besser
  • Bayerische Sonderregelungen zur Beschluss- und Kostenteilung

Wirtschaftliche Kennzahlen und Studienergebnisse

Der aktuelle Wohninvestment-Report München weist für Objekte mit Energieausweis A + eine um bis zu 18 Prozent höhere Nettokaltmiete im Vergleich zu Gebäuden der Klasse E aus. Parallel dazu meldete der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft einen Anstieg der durchschnittlichen Gaspreise um 32 Prozent zwischen 2021 und 2023. Analysen des Fraunhofer-Instituts zeigen, dass eine integrale Sanierung aus Fassadendämmung, Fenstertausch und Anlagentechnik den Heizwärmebedarf um bis zu 70 Prozent reduzieren kann. Bei konstanten Energiepreisen liegt die Amortisationszeit in Bestandsobjekten mit mehr als 20 Wohneinheiten unter 15 Jahren; bei anhaltender Preisvolatilität verkürzt sich dieser Zeitraum deutlich.

Investitionen in die Gebäudeeffizienz wirken sich doppelt aus: Sie senken laufende Kosten und verbessern ESG-Kennzahlen, die für die Refinanzierung am Kapitalmarkt zunehmend relevant sind.

Planungs- und Finanzierungsprozesse

Der Projektablauf beginnt typischerweise mit einer Bestandsaufnahme durch qualifizierte Energieberaterinnen und Energieberater. Das Ergebnis ist ein individueller Sanierungsfahrplan, der bauliche Schwachstellen, Investitionsvolumen und Einsparpotenziale quantifiziert. Für Wohnungseigentümergemeinschaften hat sich ein zweistufiges Beschlussmodell etabliert: Erstens Festlegung des Ziel-Effizienzstandards, zweitens Beschluss der einzelnen Maßnahmenpakete mit Kostenrahmen. Parallel wird ein Finanzierungskonzept entwickelt, das Eigenmittel, Förderdarlehen und Zuschüsse kombiniert. Projektentwickler und institutionelle Investoren kalkulieren die Rückflüsse über Betriebskostenreduktion sowie potenzielle Mietanpassungen.

Typischer Ablauf der Finanzierungsstrukturierung

  1. Ermittlung der förderfähigen Kosten gemäß BEG-Richtlinie
  2. Beantragung von KfW-Krediten inklusive Tilgungszuschuss
  3. Zuordnung von Rücklagen und Eigenkapitalanteil der Eigentümer
  4. Aufstellung eines Liquiditätsplans zur Sicherstellung termingerechter Mittelabrufe
  5. Nachweisführung über fachgerechte Ausführung für Fördermittelabruf

Realisierung komplexer Vorhaben

Während der Bauphase stellt der bewohnte Zustand der Objekte hohe Anforderungen an Logistik und Kommunikation. Generalübernehmer oder Bauleitungen mit regionaler Marktkenntnis koordinieren Gewerke und Lieferketten, um Stillstandszeiten sowie Lärmspitzen zu minimieren. Digitale Bautagebücher und modellbasierte Arbeitsmethoden (BIM) erhöhen die Transparenz über alle Projektbeteiligten hinweg. Die qualitative Sicherung erfolgt durch unabhängige Sachverständige, die Luftdichtheit, Dämmstärken und Anlagenwirkungsgrade nachweisen. Für die Schlussabrechnung der Förderinstitute sind diese Protokolle obligatorisch. Ein anschließender Wartungs- und Instandhaltungsplan stellt sicher, dass Wärmepumpen, Lüftungsanlagen und Photovoltaiksysteme langfristig die zugesagten Einsparwerte erreichen.

Anwendungsszenarien in unterschiedlichen Assetklassen

Gemischt genutzte Büro- und Wohngebäude

Objekte aus den 1990er-Jahren weisen häufig veraltete Kälte- und Lüftungssysteme auf. Die Umrüstung auf variable VRF-Technik in Kombination mit einem Gebäudeleitsystem senkt Betriebskosten um bis zu 40 Prozent und reduziert den CO₂-Fußabdruck signifikant.

Premium-Wohnungen und Private Estates

Im hochpreisigen Segment gewinnen hinterlüftete Holz-Alu-Fassaden, Dreifachverglasung und smartes Energiemonitoring an Bedeutung. Neben gesteigertem Wohnkomfort bringen diese Maßnahmen ein nachweislich höheres Bewertungsniveau in Green-Building-Zertifizierungen.

Innenstadtnahe Gewerbe- und Einzelhandelsflächen

Bei Mischimmobilien im urbanen Kontext erfordert der Brandschutz eine integrale Planung von Lüftung und Entrauchung. Kombinierte Dachsanierung mit Photovoltaik ermöglicht Eigenstromnutzung für Kühlaggregate und Hausgemeinschaft gleichermaßen, wodurch Netzlastspitzen reduziert werden.

Technologiemix für bayerische Mehrfamilienhäuser

Die Auswahl der technischen Maßnahmen hängt von Baualtersklasse, Bauphysik und Versorgungsstruktur des jeweiligen Bestands ab. In urbanen Lagen wie München bietet sich ein hybrides Konzept an, das Luft-Wasser-Wärmepumpen mit gasbasierten Spitzenlastkesseln kombiniert. Diese Lösung erfüllt die 65-Prozent-Regel, minimiert Umbaueingriffe und bleibt bei Vorlauftemperaturen bis 55 °C wirtschaftlich. Ergänzend lässt sich eine dachintegrierte Photovoltaikanlage mit 80–100 kWp installieren, deren Ertrag über einen Hausstromtarif die Wärmepumpenversorgung stützt. Fassadendämmung in Holzfaser- oder Mineralwolle-Variante reduziert den U-Wert typischer Ziegelmauerwerke von 1,4 W/m²K auf unter 0,25 W/m²K. Der Effizienzgewinn senkt den Stromverbrauch der Wärmepumpe signifikant und verlängert deren Lebensdauer.

Synergiepotenziale durch Bündelung von Gewerken

Eine kollektive Vergabe spart bis zu 12 Prozent der Baukosten, weil Gerüststellung, Baustelleneinrichtung und Bauleitung nur einmal anfallen. Bei Fassadensanierung, Fenstertausch und Dachdeckerarbeiten kann derselbe Gerüstlauf genutzt werden, was logistische Doppelschritte vermeidet. Parallel ausgeführte Leitungswege für Heizung, Lüftung und Photovoltaik minimieren Wand- und Deckendurchbrüche. Materialbündelungen bei Dämmstoffen oder Fenstern mit identischen Abmessungen reduzieren Einkaufspreise um 5–8 Prozent. Nicht zuletzt sinkt die Bauzeit, was Leerstandsverluste in vermieteten Einheiten verringert.

Stakeholdermanagement in Eigentümergemeinschaften

Für den Beschluss komplexer Sanierungspakete empfiehlt sich ein technisch-wirtschaftlicher Beirat, der aus interessierten Eigentümerinnen, einer externen Fachplanerin und der Hausverwaltung besteht. Digitale Abstimmungsplattformen ermöglichen die transparente Verteilung von Sitzungsprotokollen, Kostenaufstellungen und Energieausweisen. Visualisierungen via BIM-Viewer helfen Laien, den Nutzen einzelner Maßnahmen nachzuvollziehen. Erfahrungsgemäß steigt die Zustimmungsquote, wenn Variantenrechnungen vorliegen, die den individuellen Rückfluss (Mietsteigerung, Nebenkostenreduktion) pro Einheit ausweisen.

Qualitätssicherung und Monitoring in der Betriebsphase

Nach Inbetriebnahme wird ein Mess-, Steuer- und Regelungskonzept hinterlegt, das Wärme- und Stromflüsse auf Wohnungs- und Gesamtobjektebene erfasst. Intelligente Wärmemengenzähler dokumentieren den SPF (Seasonal Performance Factor) der Wärmepumpe, während Energiemonitoring-Software Auffälligkeiten wie erhöhte Rücklauftemperaturen meldet. Eine initiale Nachkalibrierung nach zwölf Monaten stellt sicher, dass Reglerparameter, Heizkurven und Volumenströme an das Nutzerverhalten angepasst sind. Die kontinuierliche Datenbasis dient als Nachweis gegenüber Förderstellen und schafft Planungssicherheit für künftige Instandhaltungszyklen.

Risikoallokation und Vertragsmodelle

Zur Minimierung von Haftungsrisiken empfiehlt sich ein funktionaler Generalübernehmervertrag, der Wärmestandard, Endenergiebedarf und Terminziele als garantierte Parameter definiert. Bonus-Malus-Regelungen honorieren das Unterschreiten des zugesagten Energieverbrauchs um mehr als zehn Prozent und sanktionieren Abweichungen. Alternativ kann ein Energiespar-Contracting zum Einsatz kommen: Ein Dienstleister finanziert die Anlagentechnik, übernimmt Wartung und erhält einen Teil der Einsparungen als Vergütung. Dieses Modell schont Eigenkapital und reduziert Betreiberhaftung, erfordert jedoch eine präzise Baseline-Ermittlung des Ausgangsverbrauchs.

Praxiskalkulation: Sanierung eines 40-Parteien-Hauses in München-Sendling

Eine viergeschossige Wohnanlage aus dem Jahr 1972 wurde in einem zusammenhängenden Paket auf Effizienzhaus-70-Standard gebracht. Die Gesamtinvestition betrug 2,8 Mio. €, davon entfielen 38 Prozent auf Gebäudehülle, 27 Prozent auf Wärmeerzeugung und 15 Prozent auf Photovoltaik. Die BEG gewährte einen Investitionszuschuss von 30 Prozent, die KfW einen Tilgungszuschuss von 12,5 Prozent. Der Endenergieverbrauch sank von 210 kWh/m²a auf 62 kWh/m²a. Die jährliche Betriebskosteneinsparung von 84 000 € führt bei einer durchschnittlichen Kostenumlage von 70 € pro Monat und Wohneinheit zu einer Amortisationszeit von 12,5 Jahren. Gleichzeitig stieg die marktübliche Nettokaltmiete von 15,60 € auf 17,40 € pro Quadratmeter.

Ausblick: regenerative Quartierslösungen und Wärmenetze

In dicht bebauten Stadtteilen rücken kalte Nahwärmenetze mit Sole- oder Wasserbrunnen in den Fokus. Mehrere Mehrfamilienhäuser speisen ihre Abwärme aus Wärmepumpen in ein gemeinsames Leitungsnetz und beziehen bei Bedarf regenerative Wärme aus zentralen Quellen wie Erdsondenfeldern. Die Skalierung auf Quartiersebene verbessert die Wirtschaftlichkeit großer Wärmespeicher und ermöglicht die Einbindung von Spitzenlastkraft-Wärme-Kopplung. Kommunale Wärmeplanungen in Bayern berücksichtigen diese Konzepte zunehmend, was Eigentümergemeinschaften neue Kofinanzierungsoptionen eröffnet.

Fachliche Empfehlungen für Bauunternehmen und Investoren

Erfolgsentscheidend ist das frühzeitige Zusammenführen von Architekt, TGA-Planer, Energieberater und Bauphysiker in einer integrierten Planung. BIM-Modelle sollten bereits in der Vorentwurfsphase energetische Simulationen und Lebenszykluskosten enthalten. Für die Ausschreibung empfiehlt sich die Verwendung praxisbewährter VOB-Einheitspreisverträge mit klaren Massenansätzen. Eine differenzierte Bauzeitenplanung und lärmoptimierte Baufolge steigern die Akzeptanz der Bewohnerschaft und reduzieren Mietminderungsforderungen. Schließlich lohnt es sich, die Restwertbetrachtung der Altanlagen in die Investitionsrechnung einzubeziehen, um steuerlich optimale Zeitpunkte für den Austausch zu identifizieren.

Fazit: Der Zusammenschluss mehrerer Wohneinheiten zu einer kollektiven Sanierung senkt Kosten, beschleunigt Genehmigungsprozesse und erhöht die Attraktivität des Gesamtobjekts. Bayern bietet dabei ein günstiges Zusammenspiel aus Fördermitteln und rechtlichen Vereinfachungen. Wer eine integrierte Planung, stringentes Stakeholdermanagement und ein belastbares Monitoring etabliert, erreicht planbare Amortisationszeiten und erfüllt zugleich steigende ESG-Anforderungen.

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