Solarthermie im Winter: Effiziente Wärmeversorgung trotz Frost
Marktdruck, Klimapolitik und solares Potenzial in Bayern
Im Großraum München steigen nicht nur die Heizkosten, sondern auch die regulatorischen Anforderungen. Das novellierte Gebäudeenergiegesetz führt ab 2024 eine verpflichtende Einbindung erneuerbarer Wärmequellen bei wesentlichen Sanierungen ein. Gleichzeitig fordern Banken und Investoren belastbare ESG-Nachweise, bevor sie Finanzierungen freigeben. Vor diesem Hintergrund rücken solarthermische Systeme erneut in den Fokus. Die Region verzeichnet jährlich etwa 1.600 Sonnenstunden; selbst im Januar liegt die mittlere Globalstrahlung noch bei rund 1,1 kWh · m−2 d−1. Diese Werte reichen aus, um Warmwasser ganzjährig bereitzustellen und Heizsysteme zu unterstützen. Eine Studie des Fraunhofer ISE weist für Süddeutschland Jahreserträge zwischen 400 und 550 kWh pro Quadratmeter Kollektorfläche aus, davon fallen knapp ein Fünftel in das Winterquartal.
Technische Bausteine für frostfeste Solarthermieanlagen
Vakuumröhrenkollektoren und selektive Absorber
Bei Minusgraden ist die Wärmeisolierung entscheidend. Vakuumröhrenkollektoren umschließen den Wärmeträger in einem nahezu luftleeren Raum, wodurch Konvektion nahezu ausgeschlossen wird. Dank selektiv beschichteter Absorberflächen erreichen diese Kollektoren optische Wirkungsgrade über 80 Prozent. In Verbindung mit einem Wasser-Glykol-Gemisch sind Vorlauftemperaturen von etwa 60 °C selbst bei –5 °C Außentemperatur möglich.
Speichermanagement und hydraulische Einbindung
Kern jeder Anlage ist ein Schichtladespeicher, der unterschiedlich temperierte Wasserschichten sauber voneinander trennt. Eine Regelungseinheit priorisiert die Trinkwassererwärmung, leitet Überschüsse in einen Pufferspeicher oder das Heiznetz und passt die Pumpendrehzahl dem Einstrahlungsniveau an. Dadurch lässt sich auch an kurzen Wintertagen ein nutzbares Temperaturniveau halten.
Frost- und Stagnationsschutz
Wärmeträger auf Glykolbasis sind bis etwa –25 °C einsetzbar. Sensorik überwacht sowohl Stillstandstemperaturen als auch den Differenzdruck im Kollektorfeld. Bei drohender Stagnation schaltet die Regelung auf Rückkühlung, um Dampfblasen zu verhindern. Diese Maßnahmen reduzieren Wartungsaufwand und verlängern die Lebensdauer von Pumpen und Dichtungen.
Ertragsdaten und Normgrundlagen
VDI 6002 dient als Referenz für Dimensionierung und Wirtschaftlichkeitsberechnung. In der Praxis erzielen Anlagen in Oberbayern spezifische Wintererträge von rund 80–100 kWh · m−2. Eine 100 m²-Installation deckt damit den Warmwasserbedarf von etwa 25 Büroarbeitsplätzen vollständig und steuert zusätzlich bis zu 10 Prozent zur Raumheizung bei.
Integration in Bauprojekte, Finanzierung und Betrieb
Machbarkeitsanalyse und Statik
Vor der Planung erfolgt eine Verschattungs- sowie Tragwerksprüfung. Aufdachanlagen benötigen in der Regel 15–20 kg · m−2 Reserve. Alternativ lassen sich Röhrenmodule in Fassaden oder Dachflächen integrieren. Eine frühzeitige Abstimmung mit Fachbauleitung, Haustechnik und Statik minimiert Schnittstellenrisiken.
Kapitalstruktur und Contracting-Modelle
Unternehmen, die Investitionsspitzen vermeiden möchten, greifen auf Wärmeliefer- oder Leasingmodelle zurück. Beim Contracting übernimmt ein externer Dienstleister die Finanzierung und Wartung; abgerechnet wird über einen fixierten Wärmepreis. Alternativ lassen sich solarthermische Einsparungen in ESG-gekoppelte Darlehen integrieren, wodurch Zinsrabatte von bis zu 35 Basispunkten erreichbar sind.
Bauablauf und Qualitätskontrolle
In Bestandsgebäuden werden Montagefenster zumeist in frostarme Perioden der Heizsaison gelegt. Die Druckprüfung erfolgt in zwei Stufen: zunächst mit Druckluft, anschließend mit Wärmeträger bei Betriebstemperatur. Ein permanentes Monitoring via Datenlogger identifiziert Abweichungen vom Soll-Ertrag und erlaubt vorausschauende Instandhaltung.
Wirtschaftlichkeit und Betriebskosten
Die Amortisationsdauer liegt in der Metropolregion München je nach Dachausrichtung zwischen acht und zwölf Jahren. Wartungskosten bewegen sich laut VDI 6002 bei etwa 1,5 Prozent der Anfangsinvestition pro Jahr. Steigende CO₂-Preise nach Brennstoffemissionshandelsgesetz verkürzen den Break-even zusätzlich.
Praxisbeispiele
- Ein 3.000 m² Bürogebäude in München ersetzt durch eine 80 m²-Röhrenanlage rund 22 Prozent der Warmwasserenergie und 10 Prozent der Heizlast. Die CO₂-Einsparung beträgt 12 t a−1.
- In einem denkmalgeschützten Schwabinger Stadthaus liefern unsichtbar hinter Glaslamellen installierte Fassadenkollektoren 60 Prozent des Warmwassers und tragen zum Effizienzhausstandard 55 bei.
- Ein Einzelhandelsfilialnetz nutzt modulare Solarthermie, um Brauchwasserspitzen abzudecken. Dadurch konnte der zentrale Brennwertkessel um eine Leistungsstufe reduziert werden.
Typische Einwände und Gegenargumente
„Im Winter reicht die Sonne nicht aus.“
Messreihen aus Garching zeigen eine mittlere Kollektortemperatur von 48 °C bei –2 °C Außentemperatur und bedecktem Himmel. Diffuse Einstrahlung steuert bis zu einem Drittel des Winterertrags bei.
„Die Dachfläche ist bereits mit Photovoltaik belegt.“
Kombinierte PVT-Module erzeugen gleichzeitig Strom und Wärme. Die Kühlung der PV-Zellen steigert den elektrischen Ertrag um bis zu 10 Prozent, während die Abwärme als Nutzenergie verfügbar wird.
Risikominderung und Nachhaltigkeitsbewertung
Solarthermie senkt die Abhängigkeit von volatilen Brennstoffpreisen und unterstützt Szenarioanalysen nach TCFD. Immobilienportfolios profitieren von stabilen Betriebskosten und einer besseren CO₂-Bilanz, was das Stranded-Asset-Risiko reduziert.
Digitale Planung und BIM-Integration
Building-Information-Modeling ersetzt in immer mehr Projekten die klassische 2D-Planung. Für Solarthermie werden Kollektorfelder, Leitungsdimensionen und Speichervolumina als Objekte mit physikalischen Attributen hinterlegt. Schattensimulationen auf Basis realer Wetterdatensätze aus München liefern Ertragsprognosen mit Stundengenauigkeit. Die Detailtiefe LOD 400 ermöglicht, Befestigungspunkte in der Tragwerksplanung zu berücksichtigen und Kollisionen mit PV-Modulen oder Dachaufbauten frühzeitig auszuschließen. Gleichzeitig dienen die BIM-Daten als digitale Wartungsakte: Herstellerangaben zu Frostschutzmitteln oder Dichtungssätzen sind hinterlegt und können im Betrieb direkt in das CAFM-System überführt werden.
Schnittstellen zu Wärmepumpen und Nahwärmenetzen
Solarthermie funktioniert besonders effizient, wenn sie als Niedertemperaturquelle vor eine Wärmepumpe geschaltet wird. Das 30 °C bis 45 °C warme Rücklaufwasser der Heizung wird im Wärmetauscher des Schichtspeichers vorgewärmt; die Wärmepumpe muss dadurch einen geringeren Temperaturhub leisten, was den COP um bis zu 0,7 Punkte steigert. Bei Quartierslösungen in Bayern lässt sich das Konzept erweitern: Ein zentraler Puffer speist ein 4-to-10-bar-Niedertemperaturnetz, das Ladekurven von bis zu 70 °C erreicht und so mit bestehenden Heizkreisen in Bestandsgebäuden kompatibel bleibt.
Förderkulisse und steuerliche Hebel
Für gewerbliche Antragsteller stehen drei Förderwege offen. Erstens gewährt das BAFA für Vakuumröhrenanlagen ab 20 m² eine Investitionsförderung von 30 % der förderfähigen Kosten, in Kombination mit Wärmenetzen sogar 45 %. Zweitens bietet die KfW-Programmreihe 270 zinsverbilligte Kredite mit Tilgungszuschuss bis zu 20 % bei nachgewiesenem CO₂-Einsparpotenzial. Drittens erlaubt § 35c EStG eine Sonderabschreibung von 20 % verteilt über fünf Jahre, sofern die Anlage überwiegend betrieblich genutzt wird. In Summe sinkt der effektive Kapitaldienst häufig unter die vermiedenen Heizkosten, was die Eigenkapitalrendite in München auf bis zu 12 % p. a. erhöhen kann.
Betriebsführung, Monitoring und Wartungslogistik
Intelligente Durchflussmesser, Vor-/Rücklaufsensoren und Globalstrahlungsfühler melden im Minutentakt an eine IoT-Plattform. Algorithmen vergleichen den Ist-Ertrag mit dem erwarteten Sollwert unter Berücksichtigung der aktuellen Einstrahlung. Erkennt die Software eine Abweichung von mehr als 8 %, wird automatisch ein Service-Ticket ausgelöst. Dadurch lassen sich Verkalkungen in Wärmetauschern oder ein Glykolabbau früh detektieren. In der Praxis reduziert das System ungeplante Stillstände um rund 40 %, wie Feldtests in bayerischen Gewerbeparks zeigen. Eine jährliche Sichtkontrolle der Kollektoren und eine Laboranalyse des Wärmeträgers sind ausreichend, um Garantiebedingungen der Hersteller einzuhalten.
Lebenszykluskosten und Rückbau
Über 25 Betriebsjahre entfallen durchschnittlich 18 % der Gesamtkosten auf Wartung, 7 % auf Energie für Zirkulationspumpen und 75 % auf die Anschaffung. Unter Annahme von 2 % Inflationsanpassung liegen die spezifischen Wärmegestehungskosten in Oberbayern zwischen 4,5 und 6 ct · kWh⁻¹. Am Ende der Lebensdauer lassen sich Glas, Kupfer und Aluminium zu fast 90 % recyceln; die verbleibenden Dichtungswerkstoffe werden thermisch verwertet. Die Rückbaukosten betragen etwa 25 € · m⁻² Kollektorfläche und können als Rückstellung bilanziert werden.
Ausschreibung und Vergabe nach VOB
Leistungsverzeichnisse sollten die VDI 6002 und die DIN EN 12977 als Mindeststandards benennen. Für die Qualitätskontrolle wird ein Probebetrieb von 21 Tagen unter Winterbedingungen gefordert, wobei eine Mindestertragsquote von 85 % des simulierten Wertes vertraglich festzulegen ist. Bei öffentlichen Auftraggebern greift zusätzlich die VgV; hier kann der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden, wenn Lebenszykluskosten mit mindestens 30 % Gewichtung in die Wertung einfließen.
Checkliste für Entscheider
1. Eigenen Heizwärmebedarf analysieren und Rücklauftemperaturen erfassen.
2. Dach- oder Fassadenflächen mit mindestens 10 kWh · m⁻² a⁻¹ Einstrahlung identifizieren.
3. Tragwerksreserven und Brandschutzvorgaben prüfen.
4. Förderfähigkeit über BAFA, KfW und steuerliche Abschreibungen abgleichen.
5. BIM-fähige Fachplaner und VOB-konforme Ausführungspartner beauftragen.
6. Monitoringkonzept und Wartungsvertrag bereits in der Ausschreibung festlegen.
Fazit
Solarthermie erzielt auch in frostigen Wintern rund um München stabile Wärmeerträge, senkt Heizkosten messbar und verbessert ESG-Kennzahlen. Wer digitale Planung, kluge Speicherstrategien und geeignete Förderprogramme kombiniert, erreicht Amortisationszeiten unter zehn Jahren. Entscheider sollten frühzeitig Statik, Förderfähigkeit und Monitoring definieren, um Planungssicherheit und maximale Wirtschaftlichkeit sicherzustellen.
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