Brandschutz bei der Gebäudesanierung: Anforderungen, Kennzahlen und Umsetzung
Sanierungsdynamik im Großraum München
Im Ballungsraum München steigt das Investitionsvolumen in Bestandsgebäude kontinuierlich. Laut IVD Süd flossen 2023 rund 2,3 Mrd. Euro in Sanierungen, ein Großteil davon in Objekte der Gebäudeklassen 3 und 4. Parallel verschärfen Versicherer und Genehmigungsbehörden ihre Auflagen. Ohne nachweislich integrierten Brandschutz haus- und gewerbeseitig rücken weder Finanzierung noch Baugenehmigung in greifbare Nähe. Hybride Nutzungskonzepte – etwa die Kombination aus Büro, Showroom und Wohnen – erhöhen die planerische Komplexität zusätzlich.
Regulatorische Rahmenbedingungen
Normen und Richtlinien
Die Bayerische Bauordnung (BayBO) bleibt das zentrale Regelwerk, ergänzt durch:
- DIN EN 13501-2 für neue Nachweise zur Feuerwiderstandsdauer
- Muster-Industriebau-Richtlinie bei Flächen über 400 m²
- DIN 18232 für Rauch- und Wärmeabzugsanlagen
Seit der Umstellung 2021 dürfen Prüfzeugnisse nach DIN 4102-2 nur noch im Bestand weiterverwendet werden. Ab 2025 verlangt die europäische Bauprodukteverordnung digitale Leistungserklärungen; digitale Zwillinge mit hinterlegten brandschutzrelevanten Bauteilen werden damit zum Standard.
Förderkulisse
Investitionen in vorbeugenden Brandschutz lassen sich mit bis zu 50 % bezuschussen, sofern sie energetische Sanierungen flankieren. In Bayern stellt die LfA Kommunalbank ergänzende Mittel bereit, wenn barrierefreie Flucht- und Rettungswege nachgewiesen werden.
Kennzahlen aus Praxis und Forschung
„Rund 60 % aller gemeldeten Brandschäden in bayerischen Gewerbeimmobilien resultieren aus Bestandsmängeln.“ – Bayerische Ingenieurekammer
Jede zweite vollumfänglich modernisierte Immobilie wird nachträglich in eine höhere Gebäudeklasse eingestuft. Dadurch steigen Anforderungen an Feuerwiderstandsdauer, Rettungswegbreiten und Rauchschutzabschlüsse. Bei Luxuswohnungen oberhalb von 400 m² gelten oft Vorgaben wie in Sonderbauten.
Methodisches Vorgehen in Planung und Ausführung
Bestandsanalyse
Laser-Scanning liefert millimetergenaue Daten zu Deckenöffnungen, Installationsschächten und bestehenden Abschottungen. So lassen sich brandschutzmaßnahmen gebäude schon vor dem Entwurf quantifizieren.
Entwurfsphase und Abstimmung
Ein iterativer Dialog mit Brandschutzdienststellen definiert Ziellayouts, Kompartimentierung und Entrauchungskonzepte. Brandschutzsimulationen belegen, ob eine optimierte Rauchabführung großflächige Brandabschnitte ersetzt und damit nutzbare Fläche erhält.
Bauausführung und Dokumentation
Ein durchgehend geführtes Bautagebuch sichert Nachweisketten: Montageschritte für Brandschutzmanschetten, Abschottungen oder Rauchschutzdruckanlagen werden fotografisch hinterlegt. Wöchentliche „Fire Walks“ aller Gewerke verhindern kostspielige Nacharbeiten. Materiallogistik bleibt kritisch; eine Verwechslung von Gipskarton F 30 und F 90 führt zu Verzögerungen, wenn brandschutz sanierung erst kurz vor Abnahme auffällt.
Branchenbezogene Fallstudien
Büro- und Verwaltungsbauten
Bei der Modernisierung einer fünfgeschossigen Konzernzentrale im Münchner Norden führte die Umstellung von Großraumbüro auf Eventflächen zu offenen Deckenkonstruktionen. Durch die Kombination aus Sprinkleranlage, Druckbelüftung und brandschutzoptimierter Lüftungsführung blieb die Loftoptik erhalten, während die Brandschutzauflagen erfüllt wurden. Ergebnis: 15 % mehr vermietbare Fläche und reduzierte Versicherungsprämien.
Premium-Wohnbauten
Ein Penthouse in Bogenhausen erhielt durch Kapselung sichtbarer Holzbalken mit transparentem Intumeszenzlack die Feuerwiderstandsklasse F 60. Die Lösung ermöglichte eine offene Küche mit Gasanschluss, ohne die ursprüngliche Designlinie zu verändern. Sensorik in der Haustechnik detektiert Temperaturanstiege frühzeitig und leitet Lüftungs- sowie Alarmprozesse ein.
Einzelhandel und Mischnutzung
Ein Modehaus in der Altstadt nutzte eine Rauch-Wärme-Abzugsanlage kombiniert mit Vorgebläse, um die Entrauchung nach DIN 18232 auf engstem Raum sicherzustellen. Automatische Schmelzauslöser in Präsentationsmöbeln ergänzen das Konzept und erhielten den vollen Flächenbestand trotz schmaler Rettungswege.
Material- und Systemwahl im Bestand
Die Auswahl von Baustoffen bestimmt maßgeblich die spätere Feuerwiderstandsklasse. In gemauerten Altbauten genügen oft mineralische Spachtelmassen, um Durchführungen unmittelbar abzuschotten. In Stahlbetondecken jüngerer Baujahre dagegen empfiehlt sich der Einsatz nachrüstbarer Modulschotts, da sie Kabelnachbelegungen ohne Kernbohrung erlauben. Intumeszierende Manschetten zeigen in Praxistests der TU München zwar bis zu 40 % höhere Ausdehnungsgeschwindigkeiten als vor zehn Jahren, reagieren aber empfindlich auf Baustaub. Eine Abdeckfolie bis zur Endreinigung senkt Ausfallraten. Für Holzbauten rückt der zweistufige Ansatz aus Brandschutzputz (≥ 12 mm) plus transparenter Beschichtung in den Vordergrund; die zusätzliche Schicht erfüllt optische Anforderungen und erhöht den Widerstand gegen mechanische Beschädigungen, die sonst kritische Bereiche freilegen könnten.
Kostentreiber und Wirtschaftlichkeitsrechnung
Die größten Budgetposten entfallen in Bayern weiterhin auf Brandmelde- und Sprinklertechnik (Ø 42 % der Gesamtaufwendungen), gefolgt von baulichen Abschottungen (Ø 27 %). Einsparpotenzial liegt oft in modularen Verteilerachsen: Werden Medienstränge in einem gemeinsamen Schacht gebündelt, reduzieren sich die erforderlichen Durchdringungen um bis zu 60 %. Ein Praxisbeispiel aus Schwabing zeigt, dass dadurch 180 m² Wandflächen weniger auf F 90 ertüchtigt werden mussten – eine Einsparung von rund 70 000 €. Wichtig ist die Gesamtbetrachtung über den Lebenszyklus: Laut Versicherungsmaklerstatistik sinken Prämien bei nachgewiesenen Sprinkleranlagen um durchschnittlich 18 %, wodurch sich Mehrkosten meist innerhalb von acht Jahren amortisieren.
Digitale Werkzeuge und BIM-Integration
Building Information Modeling beschleunigt in Sanierungsprojekten die Koordination zwischen TGA, Tragwerk und Brandschutzkonzept. In der IFC-Struktur lassen sich Bauteilattribute wie Feuerwiderstandsdauer, Rauchdichtheit und Abstände zu Fluchtwegen hinterlegen. Der Abgleich mit dem digitalen Brandschutz-Layer der Landeshauptstadt München ermöglicht frühzeitige Kollisionsprüfungen mit behördlichen Auflagen. Für die Ausführung hat sich in mehreren Pilotprojekten der mobile QR-Code am Bauteil bewährt: Er verlinkt auf Montageanleitungen, Prüfzeugnisse und Fotodokumentation, was bei Abnahmen wertvolle Minuten spart und Fehlzuordnungen minimiert. Ab 2025 verlangt die EU-Taxonomie eine revisionssichere Ablage dieser Informationen; wer heute schon modellbasiert arbeitet, vermeidet spätere Umstellungsaufwände.
Haftung, Abnahme und Betreiberpflichten
Mit der Sanierung enden nicht alle Verantwortlichkeiten beim Generalunternehmer. Nach § 3 BayBO ist der Eigentümer verpflichtet, den brandschutztechnischen Zustand dauerhaft sicherzustellen. Das bedeutet: Wartungsverträge für Feststellanlagen, jährliche Prüfung der Rauch- und Wärmeabzugsanlage sowie dokumentierte Begehungen mit einer nach DIN 14675 zertifizierten Fachfirma. Bauherrn sollten spätestens zur Schlussabnahme eine Brandschutzordnung (Teile A–C) vorlegen, um Haftungsrisiken im Betrieb zu minimieren. Die Rechtsprechung des OLG München aus 2022 verdeutlicht: Ohne lückenlose Nachweisführung kann der Betreiber bei einem Schadensfall in Regress genommen werden, selbst wenn alle Baumaßnahmen formal richtig ausgeführt wurden.
Ausblick: ESG-Kriterien und Brandschutz
Nachhaltigkeitsratings beziehen inzwischen auch den vorbeugenden Brandschutz in die Bewertung ein. Gebäude, die eine kombinierte energetische und brandschutztechnische Sanierung vorweisen, erreichen bei GRESB-Audits bis zu fünf zusätzliche Punkte. Zusätzlich verlangt die Taxonomie-Verordnung, dass „significant harm“ durch Brandereignisse vermieden wird. Investoren im Großraum München beginnen daher, Brandschutz als eigenständige ESG-Säule zu behandeln – inklusive monetärer Rückstellungen für künftige Anpassungen. Wer frühzeitig auf flexible Systeme setzt, beispielsweise variable RWA-Klappen, kann spätere Umnutzungen realisieren, ohne in neue Gutachten investieren zu müssen.
Fazit: Konsequenter Brandschutz steigert die Wirtschaftlichkeit, sichert Genehmigungen und reduziert Versicherungsrisiken. Frühzeitige Bestandsanalyse, BIM-gestützte Planung und transparente Dokumentation bilden die Basis für effiziente Sanierungsprojekte in Bayern. Unternehmen, die Brandschutz strategisch mit ESG- und Kostenaspekten verknüpfen, gewinnen Planungssicherheit und Werterhalt.
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